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Was ist gendersensible Sprache?

Frau jongliert mit Buchstaben und Symbolen

Gendersensible Sprache – was ist das eigentlich? Und wozu dient sie? In meiner Arbeit als Lektorin bekomme ich von meinen Kund*innen immer öfter die Vorgabe, bei der Überarbeitung von Texten besonderes Augenmerk auf gendersensible oder gendergerechte Sprache zu legen. Ebenso, auf diversitätssensible Sprache zu achten, die Inklusion berücksichtigt und rassismuskritisch ist. Dem komme ich sehr gerne nach und kann das nur unterstützen.

Was aber meint gendersensible Sprache konkret, welche Genderformen gibt es, welche Vor- und Nachteile haben sie und warum ist das noch immer ein heiß umstrittenes Thema? Um diese Fragestellungen geht es in diesem Blogartikel.

Was ist gendersensible Sprache?

Gendersensible oder gendergerechte Sprache bedeutet, allen Geschlechtern – dem weiblichen, dem männlichen sowie nicht binären Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen – in der Ansprache gerecht zu werden. Der englische Begriff „Gender“ steht für „soziales Geschlecht“, eine griffige deutsche Bezeichnung fehlt bislang noch.

Unsere Sprache ist sehr männerzentriert. Überwiegend wird die männliche Form verwendet. Frauen und nicht binäre Personen dürfen sich gnädigerweise mitgemeint fühlen. Aber oftmals tun sie das nicht und fühlen sich unbeachtet und ausgeschlossen.

Das Totschlagargument der Sprachpuristen ist, dass das sogenannte generische Maskulinum die weibliche Form mitberücksichtigen würde. Die männliche Form ist aber keine „allgemein gültige“ Form, die für alle passt. Aus Sicht von gendersensiblen Menschen ist sie das nicht. Eine Umfrage hat ergeben, dass bei der Frage nach dem persönlichen Lieblingsschauspieler, -sportler oder -politiker überwiegend Männernamen genannt wurden. Erst als die Frage präzisiert und nach männlichen oder weiblichen Personen gefragt wurde, wurden auch Schauspielerinnen, Sportlerinnen und Politikerinnen genannt.

Wozu gendersensible Sprache?

Bei gendersensibler Sprache scheiden sich die Geister. Sie ist nach wie vor umstritten, aber es wird besser. Noch immer gibt es ewiggestrige Herren der Schöpfung, die Rot sehen, wenn sie auf gegenderte Formen stoßen. Dabei wird ihnen gar nichts weggenommen. Sie werden weiterhin genannt. Aber andere Identitäten eben auch. Warum ist es so schwer, respektvoll miteinander umzugehen, indem man kleine, sprachliche Veränderungen durchführt, die gefühlt viel bewirken?

Sprache erzeugt Bilder im Kopf und beeinflusst unser Denken und unsere Wahrnehmung. Bei männlichen Berufsbezeichnungen wie zum Beispiel der Professor, der Ingenieur, der Arzt, der Pilot haben wir automatisch Männer in diesen Berufen im Kopf. Die Professorin, die Ingenieurin, die Ärztin oder die Pilotin bleibt unerwähnt. Wenn in umgekehrter Form nur von Frauen die Rede ist, würden sich dann Männer angesprochen fühlen? Würden sich Männer für einen Schreibmaschinenkurs für Sekretärinnen anmelden?

Damit sich alle mitangesprochen fühlen, ist es notwendig, sie eben auch mit anzusprechen und nicht nur mitzumeinen. Das ist das Ziel von gendersensibler Sprache. Ein respektvoller, fairer Umgang miteinander, ohne zu diskriminieren.

Genderformen

Inzwischen gibt es viele Formen und Möglichkeiten zu gendern. Alle haben ihre Vor- und Nachteile, den Königsweg gibt es (noch) nicht. Sprache ist im Wandel begriffen und sie wird sich den Bedürfnissen der Sprechenden und Schreibenden weiter anpassen. Gleichzeitig soll der Lesefluss aber ungestört, die Rechtschreibung gewahrt und der Text gut verständlich bleiben.

Dies sind die gängigsten Formen zu gendern:

  • Doppelnennungen: Sehr geehrte Damen und Herren

Bei der Doppelnennung wird die weibliche und die männliche Form genannt. Der Nachteil ist, dass das Konstrukt lang ist und dass nicht-binäre Personen nicht berücksichtigt werden.

  • Schrägstrich: Mitarbeiter/innen oder Mitarbeiter/-innen

Hier werden beide Geschlechter genannt und die Verwendung ist dudenkonform. Problematisch wird es, wenn von den Mitarbeitern/innen die Rede ist. Zu den Artikeln beim Gendern komme ich weiter unten.

  • Einklammerung: Schüler(innen)

Die Kritik an der Einklammerung ist, dass die weibliche Form ausgeklammert wird und somit nicht gleichberechtigt ist.

  • Binnen-I: KollegInnen

Diese Form ist im Schriftbild ein wenig harmonischer als Schrägstrich, Klammer oder Doppelpunkt, schließt aber nicht-binäre Personen aus. Großbuchstaben in Eigenschreibweisen findet man recht häufig, regelkonform nach Duden ist diese Schreibweise allerdings nicht.

  • Gender-Sternchen: Leser*innen

Das Gender-Sternchen (Asterisk) ist inzwischen die beliebteste Form zu gendern. Verwirrend wird es, wenn im Text gleichzeitig auch Fußnoten mit dem Stern gekennzeichnet sind oder ein Geburtsdatum. Als Faustregel gilt, nur einen * pro Satz zu verwenden.

  • Gender-Gap: Kund_innen

Der Gender-Gap oder Unterstrich, der zwischen der männlichen und der weiblichen Form steht, soll alle anderen Geschlechtsidentitäten repräsentieren. Dudenkonform ist diese Schreibweise aber nicht.

  • Doppelpunkt: Blogger:innen

Der Doppelpunkt war eine Zeit lang sehr beliebt, weil er so schlank daherkommt. Aber orthografisch wird davon abgeraten, weil er eben ein Satzzeichen ist, hinter dem eine Information folgt. Das kann verwirren.

  • abwechselnde Benutzung der männlichen und weiblichen Form

Eine andere Möglichkeit besteht in der abwechselnden Nennung der männlichen und weiblichen Form innerhalb eines Textes. Irritierend wird es, wenn an einer Stelle von einer bestimmten männlichen oder weiblichen Person die Rede ist.

Wie wird der Artikel gegendert?

Bei den meisten der hier vorgestellten Genderformen wird es beim Deklinieren von weiblichen und männlichen Wörtern unschön, wenn auch der Artikel einen Stern, Doppelpunkt, Unterstrich, Schrägstrich oder Klammer bekommt. Noch dazu, wenn sich der Artikel oder das Pronomen im Genitiv, Dativ oder Akkusativ anpasst: des*r Lesers*in, dem:r Blogger:in, jede_r Sportler_in usw.

Tipp: Verwende diese Genderformen möglichst im Plural, dann entfällt das Problem mit dem Artikel oder Pronomen. Schreibst du im Singular, versuche neutrale Formulierungen zu finden oder benenne konkret die männliche oder weibliche Person.

7 Tipps für gendersensible Sprache

Zugegeben, manche Genderformen sind sperrig – sollen sie ja auch sein, um andere Geschlechter sichtbar zu machen. Manchmal ist es herausfordernd, gleichzeitig gendersensibel und ästhetisch zu schreiben. Der Genuss soll beim Lesen ja keineswegs zu kurz kommen. Am elegantesten ist es, die Genderformen sehr sparsam zu verwenden und stattdessen kreativ zu sein und andere Umschreibungen zu finden. Hier stelle ich dir ein paar Möglichkeiten vor:

1. neutrale Formulierungen finden

Unschöne Konstruktionen kannst du umgehen, indem du versuchst, neutrale Formulierungen zu finden.

  • statt Lehrerinnen und Lehrer schreib Lehrkräfte
  • statt die Mutter oder der Vater schreib das Elternteil
  • statt Kolleginnen und Kollegen schreib das Team

2. die Pluralform verwenden

Die eleganteste Form ist es, die Pluralform zu verwenden. Damit umgehst du das Problem, beide Artikel voranzustellen.

  • statt der*die Teilnehmer*in schreib alle Teilnehmenden
  • statt der/die Schüler/in schreib die Schüler*innen

3. vom Verb ausgehend formulieren

statt das Rednerpult schreib das Redepult

Leite den Begriff also nicht vom Redner, sondern vom Verb reden ab.

4. Adjektive verwenden

Versuche vom Adjektiv aus zu formulieren:

statt der Kritiker schreib kritische Stimmen

5. Partizipien verwenden

Inzwischen weit verbreitet ist die Verwendung von Partizipien:

Lesende, Studierende, Vorsitzende

6. direkt ansprechen

Konzertbesucher müssen ihre Mäntel an der Garderobe abgeben.

Bitte geben Sie Ihre Mäntel an der Garderobe ab.

7. Abkürzungen verwenden

Bei wiederkehrenden Formulierungen kannst du bei der ersten Nennung auch eine Abkürzung definieren, die du im Folgenden dann verwendest:

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer (TN) des Symposiums

Gendern in der gesprochenen Sprache

Im Radio und in der gesprochenen Sprache hört man es immer häufiger: die kleine Sprechpause mit dem Knacklaut, wie bei Autor_innen. Diesen stimmlosen, glottalen Plosiv nennt man „Glottisschlag“. Gemeint ist damit ein Verschlusslaut wie bei The-ater. Spürst du beim Sprechen zwischen dem e und dem a das leichte Knacken im Rachen? Damit wird der Gap, Doppelpunkt, Stern, Schrägstrich oder Klammer hörbar, mit dem alle Geschlechtsidentitäten berücksichtigt werden.

In meinem Blogartikel erfährst du mehr über den Glottisschlag:

Weiterführende Links

Wenn es kniffelig wird und du Fragen hast, empfehle ich dir, einen Blick in die digitalen Genderwörterbücher zu werfen. Hier gibt es jede Menge Beispiele und weitere Tipps und Tricks:

www.gendern.de
www.geschicktgendern.de


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16 Antworten

  1. Liebe Kerstin,
    danke für diesen erhellenden Beitrag. Ich finde es immer wieder schwierig, wirklich alle „sozialen Geschlechter“, die du es nennst, anzusprechen ohne, dass meine Texte sperrig klingen.
    Hier werde ich wohl ab und an mal spicken kommen 😉
    Liebe Grüße
    Danielle

    1. Liebe Danielle, vielen Dank für deinen Kommentar. Ja, zugegeben, es ist nicht immer einfach, aber mit ein bisschen Übung wird es immer besser, gute Alternativen zu finden und spielerisch damit umzugehen.
      Liebe Grüße
      Kerstin

  2. Liebe Kerstin,
    einfach nur Danke. Ich erlebe nicht nur „Herren der Schöpfung“, die gegen Gendern sind, sondern erstaunlich viele Frauen. Das macht mir wirklich zu schaffen. Wie kann man als Frau dafür sein, dass man sprachlich ausgeschlossen ist?!? Das leuchtet mir nicht ein. Deshalb Danke für deine klaren Beispiele und die top Erklärungen!
    Liebe Grüße, Eva

    1. Liebe Eva,
      ich danke dir sehr für deinen Kommentar und freue mich über dein Lob! Auch mir erschließt es sich nicht, wie Frauen gegen Gendern oder Gleichberechtigung sein können. Ist mir unbegreiflich.
      Wir sind noch immer auf dem Weg, es ist ein fortwährender Prozess. Aber wir haben schon viel erreicht.
      Liebe Grüße
      Kerstin

  3. Liebe Kerstin,
    danke für diese wunderbare Checkliste, habe ich schon weiterempfohlen!
    Konkrete Frage: Hast du eventuell eine Idee, wie ich „Ärztinnen und Ärzte“ neutral formulieren könnte?
    Liebe Grüße
    Janine

    1. Liebe Janine, vielen Dank fürs Kommentieren und Empfehlen!
      Um Ärztinnen und Ärzte neutral zu formulieren, könntest du beispielsweise ärztliche/medizinische Fachkraft, ärztliche Leitung, ärztliches Personal, ärztliches Team verwenden. Dudenkonforme Gendervarianten sind Ärztin/Arzt bzw. Ärztinnen/Ärzte.
      Liebe Grüße
      Kerstin

  4. Ich danke dir, dass du dein Wissen und diesen tollen Beitrag mit uns teilst. Sehr hilfreich. In meinen Texten suche ich immer nach passenden Formulierungen. Manch deiner Tipps ist mir dabei noch gar nicht eingefallen, z.B. Redepult statt Rednerpult. Deinen Text werde ich mir auf jeden Fall gedanklich abspeichern und auch weiterempfehlen. Liebe Grüße Michaela

    1. Oh, das freut mich sehr, liebe Michaela! Vielen Dank! Auf der Seite geschickt gendern schaue ich auch oft nach, wenn es kniffelig wird. Da gibt es viele kreative Tipps. Vom Verb oder Adjektiv aus zu formulieren, ist manchmal ganz hilfreich.

  5. Wow! Gender- und diskrimierungssensible Schreibweisen, vor allem in der literarischen Übersetzung sind auch mein Thema. Vielen Dank für die tollen Tipps hier, ich kenne viele dieser Schreibweisen, aber Du gibst nochmal neue Impulse. Vielen Dank dafür!

  6. Ich mag so unaufgeregte Texte, die Klarheit bringen sehr. Diese Seite könnte der Duden doch bei sich einfügen, für alle, die gendersensibel oder gendergerecht schreiben wollen. So hilfreiche Tipps. Ich werde ab sofort vom Doppelpunkt zum Sternchen wechseln. Danke für diese Impulse.

    1. Liebe Sylvia, das freut mich sehr, wenn meine Tipps und Erklärungen helfen. Der Duden hat übrigens gerade einen eigenen Band „Einfach können: Gendern“ herausgebracht, mit sehr hilfreichen Tipps und einem Wörterbuch für alternative Formulierungen zum Nachschlagen. Kann ich sehr empfehlen.
      Liebe Grüße
      Kerstin

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